Freitag, 19. März 2010

Nachlese: Daniel Kahn & The Painted Bird

Oh mein Gott, Dan Kahn! Zum zweiten Mal unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Trier.

Was für eine Musikalität, was für ein Feuer, was für ein Humor. And so many people in one... Ein übellaunig wirkender, bärtiger Mann mit stechenden Augen im abgetragenen schwarzen Anzug; ein Klezmermusiker alter Schule, der mittags mit seiner (übrigens hervorragenden) Band in der Trierer Innenstadt Straßenmusik macht, um auf das abendliche Konzert hinzuweisen; ein Hektiker, der Teile seines Abendessens auf dem Tisch verteilt, weil er beim Argumentieren einfach keine Zeit zum Essen hat; ein blitzgescheiter Politcharismat, der noch beim Feierabendbier im Café Greco in dreieinhalb Sprachen (Deutsch, Englisch, Jiddisch, Denglish) die nicht immer gewaltfreie Weltrevolution predigt und sich ausgiebig über die bosnische Herkunft des NPD-Abgeordneten im Trierer Stadtrat informiert; ein rotzcooler Barpianist, der innerhalb von zwei Takten und drei Oktaven vom shtetl nach New Orleans fliegen kann, ohne dabei seltsam zu wirken. Der Widerspruch, der weit über Musik hinausgeht, kulminiert in seinen beiden Spieluhren-Zugaben: Die "Internationale" und "Lily Marleen", wunderschön ins Jiddische übersetzt - Kommunisten- und Nazilieder, back to back, vorgetragen mit einer so pointiert-ironischen chuzpe, dass einem die Luft wegbleibt. Das ist Dan Kahn.

Nur, dass ich mal wieder so naiv war, zu glauben, dass mehr als 20 Bürger dieser Stadt sich eine Eintrittskarte für ein Konzert eines jüdischen Kommunisten mit Erstwohnsitz außerhalb des Postzustellbezirks 54 kaufen würden - das ist dann doch ein wenig schade.

Aber ich weiß, irgendwann wird mich diese Stadt eines Besseren belehren, sie wird mir zeigen, dass sie es doch drauf hat. Und Dan Kahn wird mit dabei sein.



(Archivfoto vom ersten Gastspiel. Danke, Ralf Heid)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen